Mit Geduld und Standfestigkeit Richtung Inklusion im Hochsauerlandkreis
Dieses Interview erscheint im Rahmen von #DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Arnsberg geführt.
Mit Beginn dieses Jahres übernahm Ferdi Lenze die Funktion des ehrenamtlichen Beauftragten zur Wahrnehmung der Interessen von behinderten Menschen im Hochsauerlandkreis. Zuvor war er unter anderem Sprecher der Katholischen Behindertenhilfe im Kreis sowie 19 Jahre Vorsitzender des Kreis-Gesundheits- und Sozialausschusses. Diesem Gremium gehört er fortan als beratendes Mitglied an, ebenso wie der Kommunalen Konferenz „Gesundheit, Alter und Pflege“. #DeinRatZählt sprach mit ihm über sein großes Ziel, die kleinen Schritte dorthin und die Vorteile des Alters.
Herr Lenze, wir verraten kein Geheimnis: Sie sind 70 Jahre alt. In diesem Alter lassen es die Menschen normalerweise ruhig angehen und genießen ihre Zeit. Warum übernehmen Sie jetzt noch einmal ein solch wichtiges Ehrenamt?
Ferdi Lenze: Wer sagt denn, dass ich meine Zeit nicht genieße? Aber für mich gehören dazu eben nicht nur Urlaubsreisen oder Gartenarbeit. Ich habe mich immer politisch und sozial engagiert. Die meiste Zeit hier im Hochsauerlandkreis. Es ist ein Teil meines Lebens, mich für andere zu engagieren und die Gesellschaft mitzugestalten. Das hält mich in der Balance.
Ihr jetziger Stellvertreter und langjähriger Vorgänger Heinz Arenhövel ist noch ein paar Jahre älter als Sie. Gibt es keine Jüngeren, die die Interessen von Menschen mit Behinderungen im Kreis wahrnehmen können?
Oh doch, die gibt es in unserer Behinderten-Interessen-Vertretung (BIV) und die engagieren sich auch, wie, wo und wann sie können. Wir Älteren haben neben den notwendigen Erfahrungen einen entscheidenden Vorteil. Das ist Zeit. Wir sind ja ehrenamtlich tätig. Die Jüngeren stehen in ihrem Leben meist an anderen Stellen im Leben. Ausbildung, Studium, Familie, Berufstätigkeit. Da wird es mit der Übernahme von Ehrenämtern schwierig. Mein Terminkalender für die neue Aufgabe ist gut gefüllt. Wir haben hier im Hochsauerlandkreis ein eng geknüpftes und gut funktionierendes Netzwerk von Personen und Strukturen für die Belange von Menschen mit Behinderung. Viele Termine mit kommunalen Entscheidern laufen tagsüber. Aber grundsätzlich haben Sie recht: Mit Blick in die Zukunft brauchen wir viele engagierte junge Menschen. Da bin ich zuversichtlich, dass wir das in unserem Kreis künftig hinkriegen.
Was steht denn auf der Agenda des neuen Behindertenbeauftragten?
Ich will und werde dort anknüpfen, wo wir hier im HSK aktuell stehen. Zurzeit wird der Inklusionsplan überarbeitet. Daran mitzuwirken ist eine große Aufgabe und Herausforderung. Des Weiteren werden wir sehr oft angesprochen, wenn es um baurechtliche Fragen, wenn es um Barrierefreiheit im öffentlichen Raum geht.
Ihre Vision?
Ich hab’s nicht so mit den großen Plänen, sondern bin eher Pragmatiker. Was ist notwendig, was kann umgesetzt werden? Was geht finanziell? Es sind die vielen kleinen Schritte, die zu Veränderungen führen. Barrierefreiheit ist nicht nur der abgesenkte Bordstein. Dazu gehört auch zum Beispiel die Barrierefreiheit im Internet. Texte müssen in einer verständlichen Sprache geschrieben sein, damit alle diese lesen und verstehen können. Inklusion entsteht aber nicht durch Verordnungen, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen. Ich möchte möglichst viele Menschen mit auf diesen Weg nehmen und für Inklusion sensibilisieren. Dazu gehören die Verwaltungen in unseren Städten und Gemeinden, die Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen. Nur gemeinsam können wir etwas verändern.
Welche Charaktereigenschaften braucht ein ehrenamtlich tätiger Behindertenbeauftragter?
Das Amt hat lediglich eine beratende Funktion. Ich kann also nichts anordnen und anweisen. Ich muss überzeugen, nicht überreden. Dazu braucht es Geduld, aber auch Hartnäckigkeit, Standfestigkeit in der Argumentation und ab und an auch den notwendigen Biss. Das habe ich über viele Jahre gelernt.