Gespräche mit der Risikogruppe – Hugo Schmidt aus Münster
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus wird in den Medien häufig von sogenannten „Risikogruppen“ gesprochen. Doch wer gehört eigentlich alles dazu? Unser Team vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster hat mit verschiedenen Menschen aus der Risikogruppe telefoniert. Sie haben erklärt, wie sie die aktuelle Situation erleben. In einer kleinen Reihe werden wir auf unserer Seite die einzelnen Beiträge veröffentlichen.
Hugo Schmidt
Guten Tag, ich bin Hugo Schmidt, 21 Jahre alt und wohne in der Nähe von Münster. Dort studiere ich an der
Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Niederlande-Deutschland-Studien und bin nebenbei als freier
Mitarbeiter bei den Westfälischen-Nachrichten tätig. In meiner Freizeit schreibe ich auf meinem Blog
.
Jetzt denken Sie wahrscheinlich: ‚Ein ganz normaler Student eben‘. Doch eins unterscheidet mich von vielen
anderen Studenten in meinem Alter: Ich gehöre zur sogenannten Risikogruppe, da ich mit einer
Muskelerkrankung geboren wurde und dadurch nur eingeschränkt atmen kann. Ich lebe mit einem
Luftröhrenschnitt und bin nachts an eine Beatmungsmaschine angeschlossen.
Die Corona-Krise hat zuerst nicht viel in meinem Alltag verändert. Ich hatte sowieso Semesterferien und habe
mich weiterhin mit Freunden getroffen. Doch dann rückte die Pandemie mit erschreckenden Bildern aus
unseren Nachbarländern näher. Als schließlich die Schulen geschlossen wurden und ich in den sozialen
Netzwerken die Beiträge von anderen Risikopatienten las, wurde mir bewusst:
Die Lage ist ernst – für mich, als Risikopatient, besonders ernst!
Eine Ansteckung mit dem Virus könnte für mich schlimme Folgen haben. Ich habe mich deshalb am 14. März
in die Selbstisolation begeben, sprich ich verlasse seitdem mein Zuhause nicht mehr, ich gehe weder
einkaufen, noch treffe ich mich mit anderen Personen. Für mich ist es schwierig, nicht zu wissen wie lange
diese Phase noch andauern wird. Glücklicherweise kann ich noch in den Garten und arbeite zurzeit an einer
Hausarbeit für die Uni, weshalb mir nicht langweilig wird.
In der jetzigen Situation merke ich besonders, dass ich auf Medizinprodukte, wie die Filter und Schläuche für
meine Beatmungsmaschine, angewiesen bin. In Zeiten des Coronavirus dauert die Lieferung der Produkte
beängstigend lange. Inzwischen ist der Nachschub aber wieder da.
Frühzeitige Lockerungen der Maßnahmen, wie sie im Augenblick diskutiert werden, sehe ich sehr kritisch. Es
werden Lösungsansätze auf den Tisch gebracht, bei denen die Risikogruppen isoliert werden sollen, während
der Rest der Welt anfängt in den Alltag zurückzukehren. Eine hundertprozentige Isolation ist fast unmöglich
und eine solche Lösung ist zudem auch unsolidarisch. Die Politik muss deshalb eine gerechte Lösung finden
und wir alle brauchen, vor allem jetzt, sehr viel Geduld!
Aktuell spüre ich ein Gefühl von Solidarität und Gemeinschaft, das stimmt mich sehr optimistisch und hilft
mir in dieser ungewissen Zeit. Es tut gut, so viel mentale und praktische Unterstützung von Nachbarn und
Freunden zu erfahren. Ich wünsche mir, dass diese Solidarität auch nach der Krise in der Gesellschaft
bestehen bleibt!“