Gespräche mit der Risikogruppe – Hugo Schmidt aus Münster

Auf einem blauen Untergrund liegen links ein paar Einmal-Mund-Nasen-Masken. Darauf steht ein Text: Reihe, Gespräche mit der Risikogruppe
27.05.2020

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus wird in den Medien häufig von sogenannten „Risikogruppen“ gesprochen. Doch wer gehört eigentlich alles dazu? Unser Team vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster hat mit verschiedenen Menschen aus der Risikogruppe telefoniert. Sie haben erklärt, wie sie die aktuelle Situation erleben. In einer kleinen Reihe werden wir auf unserer Seite die einzelnen Beiträge veröffentlichen.

 

Hugo Schmidt

Guten Tag, ich bin Hugo Schmidt, 21 Jahre alt und wohne in der Nähe von Münster. Dort studiere ich an der

Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Niederlande-Deutschland-Studien und bin nebenbei als freier

Mitarbeiter bei den Westfälischen-Nachrichten tätig. In meiner Freizeit schreibe ich auf meinem Blog

.

Hugo Schmidt sitzt aufrecht an einem Schreibtisch mit zwei Monitoren, einer Tastatur und einer Maus. Er Trägt ein blau-kariertes Hemd und blickt ernst in die Kamera.

 

Jetzt denken Sie wahrscheinlich: ‚Ein ganz normaler Student eben‘. Doch eins unterscheidet mich von vielen

anderen Studenten in meinem Alter: Ich gehöre zur sogenannten Risikogruppe, da ich mit einer

Muskelerkrankung geboren wurde und dadurch nur eingeschränkt atmen kann. Ich lebe mit einem

Luftröhrenschnitt und bin nachts an eine Beatmungsmaschine angeschlossen.

 

Die Corona-Krise hat zuerst nicht viel in meinem Alltag verändert. Ich hatte sowieso Semesterferien und habe

mich weiterhin mit Freunden getroffen. Doch dann rückte die Pandemie mit erschreckenden Bildern aus

unseren Nachbarländern näher. Als schließlich die Schulen geschlossen wurden und ich in den sozialen

Netzwerken die Beiträge von anderen Risikopatienten las, wurde mir bewusst:

Die Lage ist ernst – für mich, als Risikopatient, besonders ernst!

 

Eine Ansteckung mit dem Virus könnte für mich schlimme Folgen haben. Ich habe mich deshalb am 14. März

in die Selbstisolation begeben, sprich ich verlasse seitdem mein Zuhause nicht mehr, ich gehe weder

einkaufen, noch treffe ich mich mit anderen Personen. Für mich ist es schwierig, nicht zu wissen wie lange

diese Phase noch andauern wird. Glücklicherweise kann ich noch in den Garten und arbeite zurzeit an einer

Hausarbeit für die Uni, weshalb mir nicht langweilig wird.

 

In der jetzigen Situation merke ich besonders, dass ich auf Medizinprodukte, wie die Filter und Schläuche für

meine Beatmungsmaschine, angewiesen bin. In Zeiten des Coronavirus dauert die Lieferung der Produkte

beängstigend lange. Inzwischen ist der Nachschub aber wieder da.

 

Frühzeitige Lockerungen der Maßnahmen, wie sie im Augenblick diskutiert werden, sehe ich sehr kritisch. Es

werden Lösungsansätze auf den Tisch gebracht, bei denen die Risikogruppen isoliert werden sollen, während

der Rest der Welt anfängt in den Alltag zurückzukehren. Eine hundertprozentige Isolation ist fast unmöglich

und eine solche Lösung ist zudem auch unsolidarisch. Die Politik muss deshalb eine gerechte Lösung finden

und wir alle brauchen, vor allem jetzt, sehr viel Geduld!

 

Aktuell spüre ich ein Gefühl von Solidarität und Gemeinschaft, das stimmt mich sehr optimistisch und hilft

mir in dieser ungewissen Zeit. Es tut gut, so viel mentale und praktische Unterstützung von Nachbarn und

Freunden zu erfahren. Ich wünsche mir, dass diese Solidarität auch nach der Krise in der Gesellschaft

bestehen bleibt!“