Aktiv für ein lebenswertes und inklusives Meschede
Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Arnsberg geführt.
Menschen mit Behinderungen haben in Meschede eine starke Lobby: die Behinderten-Interessen-Vertretung Meschede e.V. – kurz: BIV. Dass ihr Rat in der sauerländischen Kreis- und Hochschulstadt zählt, zeigt sich an vielen Stellen im Stadtbild. Für die Vereinsmitglieder sind die Erfolge Ansporn, sich weiterhin für ein „lebenswertes, inklusives Meschede für alle Menschen“ einzusetzen. Gerade jetzt, vor der Kommunalwahl am 13. September 2020, ist Bewusstseinsbildung angesagt.
Natürlich seien ihm die weißen Fliesen mit Punkten und Riffeln auf dem Boden an Ampeln, Treppen und Kreuzungen aufgefallen. Aber dass diese Markierungen wichtige Hinweisgeber und Wegweiser für sehbeeinträchtigte oder blinde Menschen sind, sei ihm bislang nicht klar gewesen. Marlon Knapp ist 20 Jahre jung, Student und kandidiert bei den Kommunalwahlen am 13. September in diesem Jahr erstmals für einen Sitz im Rat der Stadt Meschede. An einem lauen Montagabend im August nimmt er am Stadtrundgang der BIV für angehende Lokalpolitiker teil. Gabriele Borutzki, BIV-Mitglied und als Sehbehinderte Expertin in eigener Sache, zeigt den Kandidat*innen, wo es mit dem Blindenlangstock in der Mescheder City lang geht.
Bewusstsein frühzeitig schärfen
Für Heinz Arenhövel und seine Mitstreiter*innen von der BIV sind junge und engagierte Menschen, die wie Marlon Knapp lokalpolitisch etwas bewegen wollen, eine wichtige Zielgruppe für Ihre Lobbyarbeit. „Wir wollen schon jetzt ihr Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderung schärfen“, sagt der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte des Hochsauerlandkreises und Gründungsmitglied des seit 2002 bestehenden, eingetragenen Vereins. „Deshalb laden wir Kandidatinnen und Kandidaten aller demokratische Parteien zu solchen Stadtrundgängen ein, um ihnen aus unserer Sicht zu zeigen, was in für Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt wichtig ist.“
Die BIV hat sich zur Aufgabe gemacht, die Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern, ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Wir sind kein klassischer Beirat für Menschen mit Behinderungen“, sagt Vereinsvorsitzender Hans Joachim Picht. „Die BIV ist ein Verein, in dem grundsätzlich jeder mitmachen kann, der sich für die Belange von behinderten Menschen einsetzen will.“
Vereinbarung legt Basis
Dass ihre Vorschläge und Hinweise nicht nur gut gemeinte Ratschläge sind, sondern dass daraus auch Taten folgen müssen, gibt es schriftlich: In einer 2007 unterzeichneten Vereinbarung verpflichten sich die Stadt Meschede und die BIV, „aktiv auf Barrierefreiheit und Behindertengerechtigkeit hinzuwirken“. Weiter heißt es dort: Wir „wollen gemeinsam die Stadt für alle Bürgerinnen und Bürger menschenfreundlicher und lebenswerter machen.“ Mittlerweile ist die BIV in den Ausschüssen für Stadtentwicklung, für Generationen, Bildung, Freizeit und Soziales und für öffentliche Sicherheit und Umwelt mit sachkündigen Bürger*innen vertreten. Es gibt regelmäßige Treffen von Stadt und BIV, bei denen der Verein auf bestehende Defizite hinweist, die von der Stadt beseitigt werden sollen.
Bei den Stadtrundgängen mit den Kandidat*innen zur Kommunalwahl machen Heinz Arenhövel und seine Vereinskolleg*innen nicht nur auf die Erfolge aufmerksam. Sie weisen auch auf weiterhin bestehende Defizite hin. Sie zeigen zum Beispiel, wo Eingangstüren sich nicht selbst öffnen oder leicht gängig sind, wo es keine oder zu leise gestellte akustischen Signale an Ampelanlagen gibt, wo die taktilen Bodenplatten nicht korrekt verlegt worden sind oder wo einfach nur Aufstehhilfen bei Bänken fehlen. Der Rat der Expert*innen in eigener Sache scheint zu wirken. „Ich sehe unsere Stadt nach diesem Rundgang mit anderen Augen“, sagt Kandidat Marlon Knapp. Bleibt zu wünschen, dass er auch nach einer möglichen Wahl zum Ratsmitglied die Belange von Menschen mit Behinderungen nicht aus den Augen verliert.