Was bedeutet Politische Partizipation?
Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen – was bedeutet das eigentlich? Mit diesem FAQ wollen wir häufig gestellte Fragen beantworten.
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Was bedeutet eigentlich politische Partizipation?
Politische Partizipation heißt, in der Politik Mitmachen, Mitbestimmen und sich beteiligen. Die politische Beteiligung von Bürger*innen ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Demokratie gut funktioniert.
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Warum muss es für die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen besondere Regeln geben?
Lange Zeit haben in Deutschland Menschen mit Behinderungen, von anderen abgegrenzt, in Sondereinrichtungen gelebt, ihre Schulzeit verbracht und gearbeitet. Vielfach trifft das auch heute noch zu. Menschen mit Behinderungen und ihre Belange wurden und werden häufig noch seitens der politischen Entscheidungsträger*innen nicht bedacht.
Daher hat sich ein Gemeinwesen entwickelt, dass nur an die Bedürfnisse der „Mehrheitsgesellschaft“ angepasst ist. Die Entwicklung hat sich auch auf die Kommunalpolitik niedergeschlagen. Die bisherigen kommunalpolitischen Strukturen enthalten zahlreiche Barrieren, die eine wirksame Beteiligung von Menschen mit Behinderungen verhindern. Diese müssen durch entsprechende Änderungen und Vorkehrungen überwunden werden.
Um dieses Umdenken in der Politik zu unterstützen und die politische Beteiligung von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, braucht es besondere Regeln, Strukturen und Projekte.
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Auf welche Barrieren stoßen Menschen mit Behinderungen im Bereich der Kommunalpolitik? Und wie lassen sich diese abbauen?
Es gibt leider noch recht viele Barrieren, die die kommunalpolitische Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen behindern. Die Barrieren sind je nach Beeinträchtigung und individueller Erfahrung unterschiedlich. Einige typische Barrieren die wir aus unserer Arbeit kennen, sind folgende:
Unkenntnis über die eigenen Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten. Außerdem Unkenntnis und Unsicherheit, wer potentielle Ansprechpartner*innen und Stellen sind.
Vorschlag zum Abbau der Barriere: Möglichst niedrigschwellig, barrierefrei und umfassend seitens der Kommune informieren. Siehe hierzu den nachfolgenden Punkt.
Barrieren in der Zugänglichkeit von Informationen.
Vorschlag zum Abbau der Barriere: Alle Informationen so aufbereiten, dass sie möglichst allen zugänglich sind. Das heißt:- schriftlich und mündlich (telefonisch/ persönlich) informieren
- Leichte oder zumindest einfach verständliche Sprache verwenden oder entsprechende Begleitschreiben veröffentlichen
- barrierefreie digitale Informationen zusätzlich zu analogen bereitstellen
- Material in Braille, in Großschrift und in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stellen
- Außerdem: Informationen, Material, Dokumente gezielt in passenden Formaten dort platzieren, wo sie möglichst niedrigschwellig wahrgenommen werden (z.B. auch in Wohnheimen, Werkstätten, Beratungsstellen o.ä.)
Barrieren bei der Teilnahme an Sitzungen, Veranstaltungen oder Sprechstunden,
Vorschlag zum Abbau der Barriere:- Auf die räumliche und sonstige Barrierefreiheit von Veranstaltungen achten: ebenerdig, rollstuhlgerechte Toiletten, Aufzug, kontrastreiche Gestaltung
- gute Erreichbarkeit des Veranstaltungsortes gewährleisten (ÖPNV oder Fahrdienste, ausreichend Behindertenparkplätze)
- Dolmetschdienste zur Verfügung stellen (Gebärdensprache, Schriftsprache, Leichte Sprache)
- auf ausreichende Pausen achten, ggf. Assistent*innen bereitstellen, die den Teilnehmenden bei Bedarf assistieren können
- die Teilnahme von Begleitpersonen und individueller Assistenz ermöglichen, für blinde oder stark sehbeeinträchtige Menschen visuelle Inhalte beschreiben bzw. vorlesen
Angst vor Politik, Unsicherheit im Umgang, zwischenmenschliche Barrieren.
Vorschlag zum Abbau der Barriere: Niedrigschwellige Begegnungsräume schaffen:- sich ausdrücklich auf einen freundlichen, offenen und wertschätzenden Umgang untereinander verständigen und dies auch direkt miteinander besprechen
- Selbsthilfevertreter*innen in ihrer Arbeit empowern und bestärken
- Politiker*innen sollten auch aktiv auf Menschen mit Behinderungen zugehen und sich in beispielsweise in Selbsthilfegruppen, Wohnheimen oder Werkstätten vorstellen, Bedarfe und Wünsche erfragen und so um politische Beteiligung werben
Die effektivste Methode, um Unsicherheiten und Berührungsängste schnell abzubauen, ist aber der direkte Kontakt. Und eins können wir an dieser Stelle bereits verraten: In den allermeisten Fällen dürfte das für alle Beteiligten eine große Bereicherung sein.
Ein Clip der Aktion Mensch zeigt, wie es gehen kann:
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Wieso ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen selbst aktiv werden?
Die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen sind ihnen selbst am besten bekannt, sodass passende und günstige Lösungen in der kommunalen Planung nur mit ihrer Expertise gefunden werden können. Menschen mit Behinderungen müssen deshalb aktiv in politische Prozesse einbezogen werden, weil eine inklusive Gesellschaft ohne ihre Kompetenzen und Erfahrungen nicht erreicht werden kann.
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Wie viele Menschen betrifft das Thema in NRW?
Ende 2018 lebten in Nordrhein-Westfalen 17,9 Millionen Menschen, davon 1,82 Millionen schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 (Stand 2017). Das sind gut 10 Prozent der Gesamtbevölkerung in Nordrhein-Westfalen. Im ersten Teilhabebericht der Bundesregierung wird davon ausgegangen, dass Beeinträchtigungen bei rund 25 Prozent der NRW-Bevölkerung vorliegen. Ausführliche Informationen zum Stand in NRW bietet das Deutsche Institut für Menschenrechte in dieser Analyse:
Analyse Menschen mit Behinderungen in NRW (pdf)
Somit betrifft das Thema mindestens 25 % der nordrhein-westfälischen Bevölkerung direkt. Darüber hinaus betrifft es alle Kommunalpolitiker*innen und Verwaltungsmitarbeitenden, denn sie haben den Auftrag, die Kommunen in NRW inklusiv umzugestalten und sind verpflichtet, dies in enger Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen zu tun.
Mittelbar sind jedoch alle Menschen in NRW betroffen. Wir werden alle älter und es ist wahrscheinlich, dass wir im Laufe unseres Lebens Beeinträchtigungen erwerben, die auch unsere Teilhabe am Leben in der Gesellschaft behindern werden, insofern die Kommunen bis dahin nicht entsprechend inklusiv umgestaltet worden sind. Viele Menschen können im Alter schlechter sehen, hören, gehen und verstehen. Wenn es soweit ist, kann man sich glücklich schätzen, in einer Kommune zu leben, die sich bereits inklusiv umgestaltet hat, damit man auch im Alter noch überall teilhaben und sein Leben weitestgehend selbstbestimmt gestalten kann.
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Was ist der Unterschied zwischen Inklusion und Partizipation?
Inklusion bedeutet die umfassende, gleichberechtigte, selbstverständliche und barrierefreie Möglichkeit und das Recht aller Menschen in allen Lebensbereichen einbezogen zu werden.
Partizipation beschreibt das Teilhaben, also in verschiedenen Lebensbereichen dabei sein, mitmachen und mitentscheiden zu können, so eben auch am politischen Leben.
Die beiden Begriffe sind nicht ganz trennscharf und greifen ineinander über: Wenn etwas „inklusiv“ ist, beinhaltet das immer auch, dass es „partizipativ“ ist.
Mit „politischer Partizipation“ ist die Möglichkeit gemeint, die eigene Meinung und die eigenen Interessen selbst in das politische Geschehen einbringen zu können.
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In welchen Gesetzen gibt es Regelungen für die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen in NRW? Zu was sind die Kommunen verpflichtet?
Mehrere Gesetze bilden die Grundlage für politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler Ebene in NRW. Die konkreten Artikel haben wir hier gesammelt:
- Die in internationalen Übereinkommen festgeschriebenen Menschenrechte sind nach Maßgabe des deutschen Verfassungsrechts Teil der nationalen Rechtsordnung. Sie sind in Deutschland für die staatlichen Organe aller Ebenen verbindlich. Wenn der Staat Maßnahmen entwickelt oder umsetzt, die Menschen mit Behinderungen betreffen, muss er sich sowohl an das Grundgesetz als auch an die UN-Konventionen halten.
- Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Politik zu einer Neuausrichtung ihrer behindertenpolitischen Vorgaben auf der Grundlage der Menschenrechte: Menschen mit Behinderungen sollen als Träger*innen von Menschenrechten dabei unterstützt werden, an allen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv teilzuhaben und teilzunehmen.
- Im Inklusionsgrundsätzegesetz (IGG) NRW hat die Landesregierung die völkerrechtliche Verpflichtung auch bereits in konkretes Landesrecht übertragen.
- Außerdem sind durch § 13, Abs. 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) NRW alle Kommunen verpflichtet, per Satzung für sich zu regeln, wie sie die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen vor Ort sicherstellen wollen. Dazu ist die Landesregierung durch Abs. 2 verpflichtet, Empfehlungen und Mustersatzungen zu erarbeiten, die die Kommunen dabei unterstützen.
- Der Paragraph 27 a der Gemeindeordnung (GO) NRW regelt, dass die Kommunen zur Wahrnehmung der spezifischen Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen, beispielsweise eben von Menschen mit Behinderungen, besondere Vertretungen bilden oder Beauftragte bestellen können.
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Wie kann ich „messen“, wie gut meine Kommune im Bereich politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen schon aufgestellt ist?
Die Qualität der vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten kann mithilfe der sogenannten „Partizipationstreppe“ eingeschätzt werden. Diese Treppe mit sieben Stufen wurde im Projekt „Mehr Partizipation wagen!“ [Link] speziell für das Thema politische Beteiligung von Menschen mit Behinderungen entwickelt. So sieht die Treppe aus:
Die einzelnen Stufen drücken eine jeweils unterschiedliche Qualität politischer Beteiligung aus. Von unten (rot) über Mitte (gelb) bis oben (grün) steigt diese – je weiter eine Kommune auf der Treppe also bereits nach oben gegangen ist, desto besser können Menschen mit Behinderungen sich schon politisch beteiligen und ihre Interessen einbringen.
Die Partizipationstreppe dient primär als Instrument zur Selbsteinschätzung für kommunale Akteur*innen. Die Standortbestimmung auf der Treppe soll eine Diskussions- und Reflexionsanregung sein, bei der es kein „falsch“ oder „richtig“ gibt. Es hängt vielmehr vom individuellen Blickwinkel und dem Themenbereich ab, auf welcher Stufe man die eigene Kommune einordnet. Die Einordnung kann dementsprechend für ein und dieselbe Kommune sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem wer die Einordnung vornimmt.
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Wie kann man vor Ort die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen gewährleisten? Welche Formen von Interessenvertretung gibt es?
Es gibt verschiedene Formen und Modelle, wie die Interessen von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler Ebene vertreten und gewahrt werden können. Grundsätzlich kann zwischen einer stellvertretenden Form und der eigenen, direkten Interessenvertretung unterschieden werden.
Beauftragte Einzelpersonen sind eine repräsentative Form der Interessenvertretung. Sie tragen typischerweise die Bezeichnung Behindertenbeauftragte, man findet aber auch Varianten wie Inklusionsbeauftragte, Teilhabebeauftragte oder Koordinator*innen. Sie sind hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Beauftragte findet man eher in größeren und kreisfreien Städten, ehrenamtliche Beauftragte eher in kleineren und kreisangehörigen Städten und Gemeinden.
Der Vorteil liegt darin, dass diese Art von Interessenvertretung niedrigschwellig einzurichten ist: Man braucht nur eine Person. Außerdem gibt es mit einer*m Beauftragten eine zentrale Anlaufstelle, die die Interessen der Menschen mit Behinderungen bündelt. Insofern die Person ehrenamtlich beauftragt wird oder nur mit einem sehr geringen Stellenanteil hauptamtlich tätig ist, handelt es sich außerdem um eine kostengünstige Variante für die Kommunen.
Es gibt aber auch einige Nachteile: es bleibt eine Interessenvertretung im Stellvertreterprinzip – nicht Menschen mit Behinderungen selbst vertreten ihre Interessen kommunalpolitisch, sondern eine dafür eigens bestellte und beauftragte dritte Person übernimmt diese Aufgabe (dies trifft auch dann zu, wenn die beauftragte Person selbst eine Beeinträchtigung hat). Bleibt es – auch mittelfristig – rein bei der Interessenvertretung über eine beauftragte Einzelperson, wird dies dem inklusiven und partizipativen Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention nicht gerecht. Zudem stellt es eine Herausforderung dar, die Interessen aller Gruppen von Menschen mit Behinderungen angemessen zu vertreten. Je nach Ausstattung, Ressourcen und Besetzung der Stelle entfalten Beauftragte ein kommunal sehr unterschiedliches Maß an politischer Wirksamkeit und „Schlagkraft“. Teilweise ist das Wirkungsfeld auch bewusst auf die Verwaltung eingegrenzt.
Weitere repräsentative Formen der politischen Beteiligung von Menschen mit Behinderungen sind reguläre politische Beteiligungsmöglichkeiten, die allen Bürger*innen offenstehen.
Wir haben hier einen Überblick erstellt. -
Was sollte man bei der Einrichtung einer Interessenvertretung beachten?
Unabhängig davon, für welches Modell kommunaler Interessenvertretung man sich vor Ort entschieden hat müssen bei der Einrichtung bzw. in der Startphase einige Dinge beachtet werden, damit die Interessenvertretung später möglichst gut und politisch wirksam arbeiten kann.
Vom Projekt bzw. von der LAG SELBSTHILFE NRW e.V. gibt es daher zwei Veröffentlichungen, die die Kommunen dabei unterstützen sollen:In der „Arbeitshilfe zur Unterstützung von Kommunen für die Erarbeitung von Satzungen zur Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen/ chronischen Erkrankungen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens“ sind verschiedene wichtige Dimensionen bzw. Bereiche der Interessenvertretung benannt, zu denen man in einer Satzung bzw. Geschäftsordnung Regelungen treffen sollte. Außerdem sind für alle Bereiche beispielhafte Formulierungen enthalten, die für die Gegebenheiten vor Ort adaptiert werden können. Nicht zuletzt sind positive Beispiele bestehender kommunaler Satzungen aus NRW zusammengestellt. Sie finden in der Arbeitshilfe hilfreiche Tipps z.B. zu den Bereichen:
- rechtliche Ausgangssituation
- Selbsthilfestrukturen
- Grundlagen der Interessenvertretung
- Mitwirkung der Interessenvertretung in kommunalen Ausschüssen und Gremien
- Zusammensetzung
- Aufgaben und Rechte der Interessenvertretung
- Beauftragte
Die „Empfehlungen zur Stärkung der politischen Partizipation von Menschen mit Behinderungen und/ oder chronischen Erkrankungen in den Kommunen NRW“ enthalten als Hilfe zur Selbsteinschätzung vor Ort die Partizipationstreppe und eine Aufstellung bzw. einen Vorschlag für wirksame Vertretungsformen. Im Kern sind 14 Elemente als Empfehlungen für eine wirksame Interessenvertretung ausführlich beschrieben und begründet. Wenn Sie diese 14 Elemente vor Ort bei der Einrichtung einer Interessenvertretung mitbedenken, sind Sie gut aufgestellt! Elemente sind z.B.:
- die Ausrichtung der Interessenvertretung an der UN-Behindertenrechtskonvention
- die Erarbeitung einer klaren Gremiensatzung
- die Verankerung in der Hauptsatzung
- die enge und konstruktive Zusammenarbeit mit der örtlichen Verwaltung und Politik
Warum bzw. wie lange braucht man besondere Beauftragte und Interessenvertretungen? Sollten nicht Menschen mit Behinderungen vielmehr in genau derselben Art und Weise wie Menschen ohne Behinderungen kommunalpolitisch teilhaben?
Das ist generell richtig. Im Verständnis der UN-Behindertenrechtskonvention ist die langfristige Zielperspektive die politische Beteiligung in einem inklusiven Umfeld. „Inklusiv“ wäre das Umfeld dann, wenn besondere Vertretungsformen nicht mehr notwendig sind. Alle Menschen, unabhängig davon, ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht und unabhängig von der Art der Beeinträchtigung, könnten dann selbstverständlich, gleichberechtigt, wirksam und ohne Barrieren ihre Interessen politisch vertreten.
Diesen Zustand haben wir in Deutschland weder auf der Bundesebene, noch in den Ländern noch in irgendeiner Kommune bereits erreicht. Daher sind aktuell noch besondere Vertretungs- und Mitbestimmungsformen von Menschen mit Behinderungen notwendig. Durch ihre Arbeit tragen sie dazu bei, dass wir die „Beteiligung in einem inklusiven Umfeld“ irgendwann erreichen. Man könnte sagen: Sie arbeiten daran, sich irgendwann selbst überflüssig gemacht zu haben. Bis dahin wird es aber noch dauern.
Um diese Zielperspektive irgendwann zu erreichen, ist es schon jetzt – in den besonderen Vertretungs- und Mitbestimmungsformen – wichtig, dass Menschen mit Behinderungen nicht auf ihre Rolle als „Expert*innen in eigener Sache“ reduziert werden und so in ihrer Vertretungsarbeit von vorneherein thematisch beschränkt werden. Nur Menschen mit Behinderungen selbst können entscheiden, welche Themen und politischen Fragestellungen sie interessieren. Demnach sollten Interessenvertretungsgremien und einzelne Interessenvertreter*innen die Möglichkeit erhalten, an allen kommunalen Themen bzw. Planungsprozessen mitzuwirken. Nur so kann sich die Kommunalpolitik insgesamt verändern und irgendwann in allen Bereichen inklusiv werden.
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Wie ist der aktuelle Stand in NRW?
In den beiden mittlerweile abgeschlossenen Projekten „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung in den Kommunen stärken!“ und „Mehr Partizipation wagen!“ wurde u.a. untersucht, wie der Stand der politischen Beteiligungsmöglichkeiten in NRW für Menschen mit Behinderungen ist (2013 und 2019).
Zwei prägnante Ergebnisse (Stand 2013) waren (die Ergebnisse der Befragung aus dem Jahr 2019 werden demnächst veröffentlicht):
- Nur 20% der Kommunen in NRW haben eine Satzung erstellt, die den Belangen von Menschen mit Behinderungen auf örtlicher Ebene Rechnung trägt, obgleich dies seit 2004 im § 13 Behindertengleichstellungsgesetz NRW (BGG NRW) gesetzlich vorgeschrieben ist. Die vorhandenen örtlichen Satzungen sind dazu sehr unterschiedlich in Form, Inhalten und den dargestellten Rechten.
- In 53% der Kommunen in NRW gibt es keine Form der Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen (keine Beiräte, keine beauftragten Einzelpersonen, keinen Zusammenschluss der Selbsthilfe o.ä.) obschon durch Artikel 29 der seit 2008 geltenden UN-Behindertenrechtskonvention die Komunen dazu aufgefordert werden, die Bildung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen, die sie auf regionaler und lokaler Ebene vertreten, sowie den Beitritt zu solchen Organisationen zu fördern.
Diese Ergebnisse zeigen, dass es notwendig ist, die Aufmerksamkeit für die politische Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen durch Maßnahmen der politischen Bildung zu wecken und Prozesse der (Weiter-)Entwicklung von Vertretungsstrukturen zu begleiten!